Unter der Bezeichnung Zungen- und Schleimhautbrennen werden Mißempfindungen verstanden, die von den betroffenen Patienten als brennendes, wundes Gefühl, als Kribbeln, Jucken, mitunter auch als
stechender Schmerz, verbunden mit Störungen des Geschmacks und der Speichelbildung, beschrieben werden. Derartige Beschwerden können als Begleitsymptom bei allgemeinen Erkrankungen oder bei
Mundschleimhautveränderungen auftreten. Ebenso können sie Hauptsymptom einer eigenständigen Krankheit sein, die in der wissenschaftlichen Fachliteratur heute als Burning-Mouth-Syndrom (BMS)
bezeichnet wird.
Zungen- und Schleimhautbrennen als Begleitsymptom
Das Zungen- und Schleimhautbrennen kann im Zusammenhang mit verschiedenen Bluterkrankungen (Eisenmangelanämie und perniziöse Anämie), der Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) oder bei
Durchblutungsstörungen und Vitaminmangel vorkommen. Es ist aber auch als Folge einer extremen Trockenheit der Mundschleimhaut (Xerostomie) bei bestimmten rheumatischen Erkrankungen und bei
Medikamenteneinnahme als Nebenwirkung beschrieben worden.
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Fast immer kann man bei der Untersuchung der Schleimhaut eine organische Veränderung in Form von Entzündungszeichen oder Belägen erkennen.
Brennende Schmerzen werden bei zahlreichen Schleimhautveränderungen beschrieben, sowohl bei Entwicklungsstörungen der Zungenschleimhaut als auch bei entzündlichen Prozessen oder Infektionen.
Als Entwicklungsstörungen oder Anomalien gelten die sogenannte Landkartenzunge (lateinisch: Lingua geographica) und weitere Formen der veränderten Feingewebsstruktur der Zungenschleimhaut
(Lingua plicata, Glossitis rhombica mediana und Lingua villosa). In der Regel sind die eben beschriebenen Störungen völlig harmlos. Die brennenden Schmerzen entstehen vermutlich nicht durch
die Veränderung selbst, sondern erst dadurch, daß sich in den Furchen und Nieschen der Schleimhautoberfläche Bakterien und Pilze ansiedeln und einen Entzündungszustand hervorrufen.
Über brennende Beschwerden klagen aber oft auch Patienten mit Schleimhautkrankheiten, denen eine Verhornungsstörung zugrunde liegt. Normalerweise ist die Schleimhautoberfläche nicht verhornt.
Bei diesen Erkrankungen (dem oralen Lichen und der Leukoplakie ) kommt es jedoch aus bisher noch nicht endgültig geklärten Gründen zu einer Verhornung einzelner Schleimhautbezirke, die als
weißliche, nicht abwischbare Strukturen sichtbar sind.
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Auch bei Infektionen, vorwiegend durch Pilze (Candida albicans), Bakterien und andere Keime, werden Schleimhautentzündungen hervorgerufen, deren Symptom ebenfalls der brennende
Schmerz sein kann. Zu nennen sind hier Entzündungen der Mundschleimhaut unter Zahnprothesen, Entzündungen durch Herpesviren und im Rahmen von HIV-Infektionen.
Hormonelle Störungen und Vitaminmangel werden in der zahnärztlichen und internistischen Literatur immer wieder als häufige Ursache beschrieben, ohne daß es bisher gelungen ist,
eindeutige Beweise dafür vorzulegen. Die Tatsache, daß sehr oft Frauen jenseits der Wechseljahre betroffen sind, reicht als Erklärung dafür allein nicht aus. Diesem Gedanken folgend wurde deshalb
mehrfach, jedoch erfolglos, versucht, das Brennen durch Hormontherapie zu beeinflussen.
Nicht nur Allgemeinerkrankungen sondern auch lokale Faktoren des Zahnsystems selbst kommen als Ursache für das Zungen- und Schleimhautbrennen infrage. Oft reizen defekte
Füllungen, überstehende Kronenränder oder fehlerhaft gearbeitete Prothesen oder Kunststoffe und Metalle die Schleimhaut.
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Hier muß der Zahnarzt nach intensiver Untersuchung gegebenenfalls den Zahnersatz ändern, was in der Regel kein großes Problem ist. Wesentlich schwieriger ist der Nachweis des sogenannten
Galvanismus, des „Fließens von elektrischen Strömen im Mund‟, der durch unterschiedliche Metalle hervorgerufen werden soll. Er wird besonders häufig von den Patienten für das Brennen
verantwortlich gemacht, obwohl er es wahrscheinlich, wenn überhaupt, nur in äußerst seltenen Fällen tatsächlich ist.
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Zungen- und Schleimhautbrennen als Hauptsymptom einer eigenständige Erkrankung
Zungen- und Schleimhautbrennen im Sinne einer eigenständigen Erkrankung ist für jeden Patienten, aber ebenso für jeden Zahnarzt ein großes diagnostisches und therapeutisches Problem, weil es sich
hier fast immer um eine psychosomatische Störung handelt. Das bedeutet, daß für die Entstehung und Aufrechterhaltung der Beschwerden psychische und soziale Faktoren eine entscheidende Rolle
spielen.
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Belastung, Anspannung und Streß, aber auch Leid und Kummer führen dazu, daß zum Beispiel ständig nervös mit der Zunge am Zahnersatz „rumgespielt„ wird. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß
wissenschaftliche Untersuchungen wiederholt gezeigt haben, daß die Zungenspitze auch wirklich am häufigsten von intensivem Brennen betroffen ist. Hinzu kommt, daß jeder Mensch in solchen
schwierigen Sitiuationen empfindlicher ist, auch was seine Schmerzwahrnehmung betrifft. Die Zungenspitze muß deshalb nicht unbedingt gerötet sein, trotzdem brennt sie intensiv.
Charakteristische Merkmale: Betroffen sind überwiegend Frauen im mittleren und höheren Lebensalter quälendes, brennendes Gefühl bei hoher subjektiver Empfindlichkeit anfangs meist phasenhaft
auftretend mit beschwerdefreien Intervallen (z.B. nachts) später dauerhaft vorhanden, im Laufe des Tages eher noch zunehmend subjektiv empfundene Mundtrockenheit und Geschmacksstörungen
chronischer Verlauf in der Regel ohne krankhaften Befund im Mund Patienten haben fast immer mehrere erfolglose Behandlungen durch Ärzte verschiedener Fachrichtungen hinter sich Mitunter
werden schon über Jahre Schmerztabletten (einschließlich Psychopharmaka) und diverse Mundspülungen verwendet Patienten sind vorwiegend (jedoch nicht ausschließlich) Prothesenträger Der oft
beobachtete zeitliche Zusammenhang zwischen der Eingliederung einer neuen Prothese und der Entstehung des Zungen- und Schleimhautbrennens wird von den Patienten jedoch fast immer
fehlinterpretiert. Sie vermuten in der Regel allergische Reaktionen auf den verwendeten Prothesenkunststoff oder fehlerhaft gearbeiteten Zahnersatz. Selbst wenn keine krankhaften Veränderung
der Schleimhaut zu sehen sind, gelingt es nur sehr schwer, die Patienten von diesen Gedanken abzubringen. Hoffnung und Erwartung sind deshalb ausschließlich auf eine Neuanfertigung der
Prothese gerichtet. Über mögliche falsche Verhaltensweisen (wie das oben beschriebene Zungenreiben und –pressen) als Ursache für die Beschwerden sind sie nicht bereit nachzudenken.
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Was macht die Beschwerden so problematisch?
Das aufdringliche Symptom macht die Patienten hilflos. Sie können keinen anderen Gedanken mehr fassen. Das Gefühl des Brennens ist permanent da und scheinbar unvermeidlich.
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Es steuert das Erleben und Verhalten im Alltag, im Beruf und in der Freizeit. Es bestimmt die sozialen Kontakte - einfach alles. Zunehmend glauben die Patienten nicht mehr an Heilung und
schon gar nicht daran, daß es Möglichkeiten geben könnte, selbst das Symptom zu beeinflussen. Die Folge davon sind mitunter völliger Rückzug und die Vermeidung von Kontakten mit anderen
Menschen. Das Symptom lähmt jede Aktivität; die Lust am Leben, am Essen, an Unterhaltung geht verloren. Negative Gedanken bestimmen die Befindlichkeit der Patienten. Gegenüber neuen
Behandlungsangeboten zeigen die Patienten großes Mißtrauen, weil sie sicher zu wissen glauben, daß der Zahnersatz die Ursache allen Übels ist.
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Die Mitarbeit des Patienten ist entscheidend
Absolute Beschwerdefreiheit innerhalb kurzer Zeit ist bei solchen chronisch verlaufenden Erkrankungen ein völlig unrealistisches Behandlungsziel.
Zunächst muß der Patient versuchen, sein Beschwerdebild so objektiv wie möglich zu beobachten.
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Ist das Brennen tatsächlich den ganzen Tag in unerträglichem Maß vorhanden oder gibt es auch „bessere Zeiten‟? Es wäre also notwendig herauszufinden, unter welchen Bedingungen das Brennen
verstärkt bzw. nicht ganz so quälend ist. Diese Beobachtung hilft den Patienten zu erkennen, daß Ablenkung durch Beschäftigung mit bestimmten Dingen, häufige soziale Kontakte oder eine
gelungene Urlaubsreise das Schmerzerleben positiv beeinflussen können, weil sich dann die Schmerzwahrnehmung verändert. Das Brennen wird weniger quälend empfunden.
Ganz besonders wichtig ist die Beobachtung und Kontrolle unbewußter Verhaltensgewohnheiten, von denen weiter oben schon die Rede war (Zungenpressen…).
Über die Anwendung von Medikamenten und Spülflüssigkeiten sollten sich die Betroffenen mit ihrem Zahnarzt verständigen.
Mitunter müssen die Patienten aber während der oft langen Behandlung lernen, daß ein sinnvolles und zufriedenes Dasein auch mit einem Krankheitssymptom möglich ist, denn all zu oft gelingt es
nicht, die Beschwerden restlos zu beseitigen.
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Priv. Doz. Dr. Anne-Marie Kluge
Prof. Dr. Peter A. Reichart